Der Mosaikboden in der Kathedrale von Siena

Auf beiden Seiten des Kirchenschiffs finden Sie die Zehn Sibyllen - weibliche Seherinnen aus der Antike, die zukünftige Ereignisse voraussagten. Die Tafeln zeigen Sibyllen aus verschiedenen Regionen, darunter die delphischen, erythraischen, phrygischen, persischen, hellespontischen und libyschen Sibyllen. Jede ist in weißem Marmor vor schwarzem Hintergrund gefasst und durch klare Inschriften gekennzeichnet. Auf kleineren Tafeln ist ihre Prophezeiung des Kommens Christi eingraviert.

Diese Serie, die sich unter dem Hauptaltar befindet, illustriert Schlüsselmomente aus dem Leben von Moses. Die von Domenico Beccafumi (1515-1519) entworfenen Tafeln umfassen "Moses lässt Wasser aus dem Felsen fließen" und "Die Geschichten von Moses auf dem Berg Sinai". Diese Szenen betonen Moses als zentralen Propheten und Führer, der die Israeliten leitete und göttliche Gebote empfing, und unterstreichen seine Rolle in der Heilsgeschichte.

Diese von Beccafumi entworfene Tafel vor dem Hochaltar zeigt die Opferung des Propheten Elias, eine Szene, die das Thema des Opfers symbolisiert und das Opfer Christi vorwegnimmt. Als zentrales Element der Ikonographie des Fußbodens veranschaulicht es die Kontinuität von der alttestamentlichen Prophezeiung zum Neuen Testament und unterstreicht die Bedeutung Elias' in der übergreifenden Erzählung der Erlösung.

Die letzte Tafel vor dem Querschiff ist das "Glücksrad" (1372), eine Allegorie auf die Launenhaftigkeit des Schicksals. Es zeigt ein großes Rad, das möglicherweise von Fortuna gedreht wurde, mit einem König auf einem Thron und drei Figuren in verschiedenen Zuständen der Bedrängnis, die die Phasen der Macht symbolisieren: "Ich werde regieren, ich regiere, ich habe regiert, ich bin ohne ein Königreich". Das Rad ist von vier Sechsecken umgeben, auf denen römische Philosophen - Epiktet, Aristoteles, Euripides und Seneca - abgebildet sind, die jeweils eine Prophezeiung der Zukunft abgeben.

Die 1406 geschaffene Tafel der vier Tugenden ist ein bedeutendes Kunstwerk auf dem Fußboden der Kathedrale von Siena, das die Kardinaltugenden - Tapferkeit, Gerechtigkeit, Klugheit und Mäßigung - sowie die Barmherzigkeit darstellt. Die mit der Marmor-Commesso-Technik gefertigte Tafel zeigt lebhafte Kontraste und komplizierte Muster, die das Können der sienesischen Künstler widerspiegeln. Die Tafel, die während der künstlerischen und kulturellen Blütezeit Sienas in Auftrag gegeben wurde, ist auch eine moralische Mahnung, die die mittelalterlichen Lehren verkörpert und sie zu einem Muss für Besucher macht.

Die zweite Tafel im Kirchenschiff, nach Hermes Trismegistus, ist die berühmte Wölfin, die die Zwillinge säugt. Die Mitte der Tafel besteht aus einer großen weiblichen Wölfin mit zwei menschlichen Kindern, die sie säugen, und der Inschrift 'Sena', die darüber gekritzelt ist. Es ist eine Darstellung des römischen Mythos von Romulus und Remus, die auch als Ascanio und Senio, die Gründer der Stadt Siena, interpretiert werden können. Es ist umgeben von kleineren Rondellen mit den Wappen wichtiger Städte der Toskana und Italiens, wie dem Löwen von Florenz, dem Elefanten von Rom und dem Hasen von Pisa.

Giorgio Vasari, ein prominenter Künstler und Historiker aus dem 16. Jahrhundert, lobte den Fußboden als den "schönsten, größten und prächtigsten Fußboden, der je geschaffen wurde". Seine Bewunderung trug dazu bei, seinen Status als bedeutendes Kunstwerk zu festigen und beeinflusste Künstler, ähnliche Techniken und Themen in ihren eigenen Werken zu erforschen.

Künstler wie Domenico Beccafumi, der die Technik der Marmorintarsien perfektionierte, wurden direkt von der Gestaltung des Bodens beeinflusst. Seine Fähigkeit, Hell-Dunkel-Effekte durch Marmorintarsien zu erzeugen, setzte einen Standard für zukünftige Künstler und zeigte das Potenzial von Marmor als Medium für ausdrucksstarke Kunst.

Die vorbereitenden Karikaturen für die Tafeln des Fußbodens wurden von namhaften Künstlern geschaffen, darunter Pinturicchio, dessen Arbeit an der Allegorie des Berges der Weisheit beispielhaft für die Verschmelzung von Erzählung und künstlerischer Technik ist, die zu einem Markenzeichen der Renaissancekunst wurde.